Performance
Alisa M. Hecke / Julian Rauter / Andi Willmann
THE BIG SLEEP widmet sich einem Handwerk, das versucht, natürliche Verwesungsprozesse aufzuhalten, um die Illusion von Leben zu erzeugen. Inmitten von Tierpräparaten untersuchen drei Performer*innen, wie (un-)belebte Körper Erinnerungen und Erzählungen transportieren und Zeit einfriert. Ihr humorvolles Kreisen um das Zusammenspiel von Werden, Vergehen und Bewahren geht über in eine Reihe von bildhaft-installativen Situationen, die Mensch- und Tierkörper gemeinsam im Bühnenraum etablieren. Kulturelle Gemeinplätze wie das Posieren mit erlegten Tieren wechseln sich mit neugierigen Annäherungen an die gleichermaßen Präsenz wie Absenz ausstrahlenden Körper und fragilen Momenten der Anrede, in denen die Präparate zu nahezu intimen, aber stumm bleibenden Adressaten von plötzlich ganz konkreten, existenziellen Erfahrungen und zu Vertrauten persönlicher Trauer- und Erinnerungsarbeit werden. Performer*innen und Präparate sind hier auf eine Weise miteinander in Kontakt gebracht, die zuweilen verunschärft, wer hier eigentlich wen an-, ja fast durchschaut.
LEIPZIG
Residenz Schauspiel Leipzig
19./ 20./ 23./ 24./ 26./ 27. Juni 2020
BERLIN
Theaterdiscounter
29./ 30./ 31. Oktober / 1. November 2020
BASEL
Roxy Birsfelden (CH)
5./ 6. November 2020
LINZ
Schäxpir Festival, Kammerspiele Landestheater Linz (AT)
23./ 24. Juni 2021
KÜNSTLERISCHE LEITUNG Alisa M. Hecke, Julian Rauter
PERFORMANCE Katharina Bill, Malte Scholz, Nina Maria Wyss
BÜHNE Andi Willmann/Franz Thöricht SOUNDSCAPE Cornelia Friederike Müller
TECHNIK Beate Oxenfart/Max Wileschek DRAMATURGIE Nadine Vollmer PRODUKTIONSLEITUNG Nora Schneider ASSISTENZ Sonja Weissberg
Eine Produktion von Hecke/Rauter GbR in Koproduktion mit dem Schauspiel Leipzig, Kunstfest Weimar, Theaterdiscounter Berlin, Roxy Birsfelden sowie dem Naturhistorischen Museum Basel, dem
Muséum d’histoire naturelle de la Ville de Genève und dem Naturalienkabinett Waldenburg. Unterstützt von Dirty Debüt und ARC artist residency. Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und
die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa.
Ein Theaterprojekt, das den Gegenstand seiner Reflexion dekorativ ausstellt, ohne zu dick aufzutragen: Ein ausgestopfter Bär hier, eine Taube dort. In der Mitte des Tableaus dreht eine kleine, runde Bühne Katharina Bill, Nina Maria Wyss und Malte Scholz im Kreis. Die Schauspieler schlüpfen in die Rolle von Tierpräparatoren, als befänden sie sich im zwanglosen Feierabend-Plausch. Der ist beim Einlass schon im Gange. Das Publikum darf sich als heimlicher Ohrenzeuge fühlen. [...] Wenn dann Präparatoren von der Schönheit von Nashörnern schwärmen oder ihre Kommunikationsrituale mit den auszustopfenden Kadavern offenbaren, um den angemessenen, finalen Ausdruck zu finden, dann entsteht ein locker geknüpfer Erzählstrang der Skurrilitäten. Doch der Abend bricht die Stoßrichtung auf, wechselt von der Erzählung zur Reflexion, denkt über Zeit und Vergänglichkeit nach, über Darstellung und Wirkung der Präparate in verschiedenen Epochen, über die Essenz dessen, was als äußerer Schein übrig bleibt.
Dimo Rieß: Präparatoren im Diskurs, LVZ, 21.6.2020
Das Tier (das als Präparat Objekt gewordene Tier) hält dem Blick des Menschen stand. Auge in (Kunst-)Auge. Nur, dass in dem Moment, in dem diese Präparate aus ihrem Kontext eines
naturwissenschaftlichen Anschauungszustands in den von Hecke/Rauter/Willmann konstruierten Spannungszustand eines Kunstraumes hinüberwechseln, dieser Blick
seinen Charakter ebenso zu wechseln scheint. Der Grundbass vibriert plötzlich als ein irritierender, auch unheimlicher Unterton der Fortdauer gegen die vergehende Zeit. Und das meint explizit
auch die Lebenszeit des menschlichen Betrachters. Der Kunstraum wird darüber somit zu einem Resonanzraum, in dem diesen Objekten eine Art Schein-Belebung widerfährt. Offenbaren sie sich doch,
ohne dass sich dafür an ihrem Daseins-Status irgendetwas ändern müsste, in jener evozierten Raum-Atmosphäre irgendwie eingefrorener Zeit als Träger einer Erzählung – einer Erzählung suspendierten
Lebens in suspendierter Zeit, die gleichsam nur unterhalb und außerhalb rationaler Verifizierbarkeiten wahrnehmbar ist. Die als Nach- und Widerhall als Oberton oder Grundbass schwingt in
Arrangements, in denen das Tier, anwesend abwesend, plötzlich als Objekt fern musealer Patina zurück blickt auf seinen menschlichen Betrachter. Und dabei in jedem Fall ja etwas sieht, was in
einem so unbestimmbaren wie auch unvermeidbaren Morgen, gewesen sein wird. [...] Ein Panoptikum im Futur II, eine Echokammer präparierter Zeit, ein Resonanzraum, dessen Echowellen aus
Blickwechseln erstehen und in Zickzacklinien nicht zuletzt auf einen Kern-, eine Wesensfrage hinauslaufen: Gibt es so etwas wie ein Eigen-, ein Weiterleben dieser Tierpräparate?
Steffen Georgi: Das Tier ist weg – Über die Schaffung eines Resonanzraums im Futur II, Theater der Zeit, Double 40
The Big Sleep
Recherchen zur Taxidemie
60-seitige zweisprachige (DE-EN) Publikation zum gleichnamigen Kunstprojekt inkl. Gespräch, Essay, Interviews, Bildcollagen
Hg. Alisa Hecke / Julian Rauter, Juni 2020
ensemble&gäste
Interviewreihe des Schauspiel Leipzig
November 2020
Kepler Salon
Kepler Universität Linz
Juni 2021
The Big Sleep. Recherchen zur Taxidermie
Exzerpt
Tierstudien 20: Extinction. Das große Sterben
Hg. Jessica Ullrich, Oktober 2021
Le Grand Sommeil
dreisprachiger Essay (DE-EN-FR) für Muséum d’histoire naturelle de la Ville de Genève
Hg. Alisa Hecke / Julian Rauter, Dezember 2021