Szenische Installation
Alisa M. Hecke / Julian Rauter / Cornelia Friederike Müller
PORTRAIT OF A GHOST ist die audio-visuelle Echokammer menschlichen Lebens, in der das eigene Verschwinden für einen Moment festzuhalten versucht wird.
Die Theatermacher*innen Hecke/Rauter widmen sich gemeinsam mit der Soundkünstlerin CFM der Vorstellung einer Welt, die sich von physisch anwesenden Körpern verabschiedet hat. Dafür schaffen sie eine Klanglandschaft in einer Raum- und Objektinstallation und laden das Publikum auf die Spurensuche eines zweifelnden stream of conciousness ein. Akustisch isoliert begegnen ihnen Körperfragmente und körperlose Stimmen, die von der Erblast und Utopie, der Lust- und Unlust erzählen, die mit der Erfahrung von Körperlichkeit einhergeht.
LEIPZIG
Heilandskirche Leipzig-Plagwitz
AUFFÜHRUNGEN 31. Oktober, 1./2. November 2019, 9./10./11. Oktober 2020
DRESDEN
HELLERAU - Europäisches Zentrum der Künste
AUFFÜHRUNGEN 28., 30. November 2019
KONZEPT, REGIE Alisa Hecke, Julian Rauter SOUNDDESIGN Cornelia Friederike Müller SZENOGRAFIE Franz Thöricht BÜHNENPLASTIK Cornelia Golz PERFORMANCE Helga Sieler, Livi SPRECHER Jonas Fürstenau, Julia Berke
Eine Produktion von Hecke/Rauter in Koproduktion mit HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste, gefördert vom Sonderprogramm KONFIGURATION des Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, dem Kulturamt der Stadt Leipzig. In Kooperation mit dem Westpol A.I.R. Space e.V. sowie der Evangelischen Landeskirche Leipzig, unterstützt vom Hörspielsommer e.V. Die Wiederaufnahme 2020 wird gefördert vom Kulturamt der Stadt Leipzig.
„Portrait of a Ghost“ entzieht in Hellerau dem Publikum den Boden unter den Füßen. Während Teil eins die Zeit verschwimmen lässt, bleibt im zweiten Abschnitt alles in dieser Schwebe, bis zum
Schluss, der kein Ende ist. Es ist wie ein real gewordener Traum, nicht unbedingt ein Alptraum, trotzdem unschön. Zumindest für die ersten Momente. Das Publikum findet sich im Saal West des
Festspielhauses Hellerau in einem dimensionslosen Raum wieder. Nebel, Licht, sonst nichts. Kein Oben, kein Unten. Keine Handbreit kann man sehen. Immer wieder schälen sich unerwartet die Umrisse
einer weiteren Besucherin aus dem Nebel. Und dann diese Stimme. Jeder im Publikum trägt Kopfhörer, über die anfangs noch Geräusche aus dem Raum übertragen werden. Da gibt es noch so etwas wie
einen Moment des gemeinsamen Erlebnisses. Dann aber nur noch diese weibliche Stimme, die Descartes zitiert. Mit dieser Stimme ist plötzlich jeder allein, nur noch für sich, in einem Raum voller
Menschen. Da ist die Rede vom Abschalten der Sinne, dem Loswerden des Körpers. Komplette Auflösung des Ichs. Und plötzlich tut dieser Gedanke gut. Geborgenheit im nicht Sein. Wie lange dieser
Teil der Performance dauert, ist schwer zu sagen. Man verliert die zeitliche Orientierung. Das Konzept von Alisa Hecke und Julian Rauter ist so simpel wie effektvoll. Im zweiten Teil ist mehr
sichtbar, im Nancy-Spero-Saal gibt es keinen Nebel. Stattdessen Helga Sieler als Performerin, ihr Kostüm ganz klar wie der Anzug eines Astronauten. Der Helm mit dem dunklen Visier anonymisiert
sie. Sie steht vor einer Wand, deren schwarze textile Bespannung unaufdringlich glitzert. Ein Sternenmeer. Helga Sielers Reise durch diesen Raum vollzieht sie aber nur in ihrem Inneren, bleibt
ganz für sich, nur ihr Rücken ist zu sehen. Dumpf klingt ihre Stimme, wie direkt aus ihrem Helm kommend. Entmenschlicht, entkörpert. Diese Stimme ist nur noch Bewusstsein und kann sich so ohne
konkrete Richtung dem eigenen Gedankenstrom hingeben. Wenn Helga Sieler dann das Publikum auf die Rückseite der Wand mitnimmt, zeigt sich deren Oberfläche kalt glänzend, reflektierend, abweisend.
Ihr Atem ist schwer. Man kann ihre Verdauungsgeräusche hören. Irgendwann scheint sie zu Hause angekommen, legt ihren Anzug ab, den Helm, schlüpft in Hauspantoffeln. Zum Menschen wird sie dadurch
trotzdem nicht. Die Stimme aus dem Off, jetzt nicht mehr aus den Kopfhörern kommend, erzählt von Ängsten, die man mit Angst bekämpfen kann. Orientierungslosigkeit, ohne Richtung. Unbehaust bleibt
auch das Publikum. Schräge, glänzende Flächen am Boden mögen vielleicht als Sitzgelegenheiten taugen, bequem sind sie aber nicht. Dadurch bleibt alles in dieser Schwebe, bis zum Schluss, der kein
Ende ist.
Rico Stehfest: Ich, ohne Boden. „Portrait of a Ghost“ entzieht in Hellerau dem Publikum den Boden unter den Füßen. 29.11.2019, Dresdener Neueste Nachrichten