Erinnerungen für Morgen 2016-2019
Alisa Hecke / Julian Rauter
ERINNERUNGEN FÜR MORGEN widmet sich dem Paradigmenwechsel naturkundlicher Sammlungen im Zuge rasanter ökologischer Veränderungen: Vor dem Hintergrund des Artenverfalls, wandeln sich diese zunehmend von Orten der Repräsentation existierender Arten zu Orten der Präsentation hinterlassener Relikte organischen Lebens. Solche Museen werden zunehmend zu Orten der Erinnerung an verschwundene Tierarten, die hier, aufbereitet und konserviert durch die Arbeit von Tierpräparator*innen, wieder zum Leben erweckt werden. Woher aber rührt dieses menschliche Bedürfnis, Relikte organischen Lebens zu sammeln und der Nachwelt zu überliefern?
In einer Interviewreihe haben sich Hecke/Rauter mit dem Vorgang der Präparation und seinen Protagonist*innen beschäftigt. Deren Bekenntnisse geben Aufschluss über den Wunsch nach Erhalt und Konservierung der natürlichen Diversität und ästhetischen Vielfalt. Den Geschichten und Werkstatt-Einblicken wird in der gleichnamigen Audio-Installation ein temporärer Aufbewahrungsort zur Vergegenwärtigung und Erinnerung geschaffen. GESTALTUNG/OBJEKT Andi Willmann
AUDIO-INSTALLATION
Lindenow-Festival #14, Sonderausstellung DESTILLAT
05.-07. Oktober 2018
Theaterfest Schauspiel Leipzig
31. August 2019
HELLERAU - Europäisches Zentrum der Künste
Parkour-Festival der Freien Szene Sachsens
11. Juli 2020
INTERVIEW-PARTNER*INNEN Nadir Alvarez (Genf, CH), Sabrina Beutler (Düdingen, CH), Isabel Blasco Costa (Genf, CH), René Diebitz (Leipzig), Jens Freirer (Pfaffroda), Edwin Gnos (Genf, CH), Dirk Grundler (Magdeburg), Mike Jessat (Altenburg), Sirpa Kurz (Zürich, CH), Bernard Landry (Genf, CH), Lydia Mäder (Frohburg), Pater Oswald (Kloster Einsiedeln, CH), Jan Panniger (Berlin), Alwin Probst (Basel, CH), Christian Richter (Harzgerode), Michel Sartori (Lausanne, CH), Michael Stache (Halle a.d. Saale), Fanny Stoye (Waldenburg), Laurent Vallotton (Genf, CH)
KOOPERATIONSPARTNER Naturhistorisches Museum Basel, Naturalienkabinett Kloster Einsiedeln, Muséum d'histoire naturelle Genève, Naturkundemuseum Halle, Musée cantonal de zoologie Lausanne, Naturkundemuseum Leipzig, Mauritianum Altenburg, Naturkundemuseum Potsdam, Naturalienkabinett Waldenburg, Zoologisches Museum der Universität Zürich. Die Recherche wurde unterstützt von der ARC KÜNSTLERRESIDENZ Romainmôtier, gefördert vom Migros Kulturprozent.
Museum der Zukunft 2017
Workshop
Alisa M. Hecke / Julian Rauter / Andi Willmann
Dem Naturkundemusem Leipzig steht ein Wandel bevor. In naher Zukunft soll es seinen bisherigen Standort verlassen und umziehen. Dann werden die Exponate abgestaubt, restauriert und verpackt. Doch zuvor haben wir uns gemeinsam mit einer Gruppe von Kindern auf interdisziplinäre Spurensuche im Naturkundemuseum begeben. Die Sammlung diente als Inspiration für eigene Wünsche und kreative Ideen für das Museum der Zukunft. Denn die Präparate, Schaukästen und Tafeln können uns vom Leben der Tiere im Museum berichten: Wie sind sie hier her gekommen? Was haben sie im Museum erlebt? Und können sie uns davon berichten?
Gemeinsam wurde die Natur- und Kultur-Geschichte(n) der dargebotenen Tiere erforscht und fantasievoll zu Wort kommen gelassen. Mit Kreativität und Eigensinn sind innovative, lustvolle Ideen zum zukünftigen Museum entwickelt worden.
12./13. August 2017
Naturkundemuseum Leipzig
Stuff The World 2021
Alisa Hecke / Julian Rauter
Mit STUFF THE WORLD untersuchen die Theatermacher*innen Hecke/Rauter die Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels auf den deutschlandweit einmaligen Ausbildungsbetrieb zum Tierpräparator am
Bochumer Berufskolleg. Welchen Transformationen unterliegt das Berufsbild anhand ökologischer Veränderungen: Werden
die Aspiraten zu Zeugen des Artenverfalls oder bezeugen sie einen aussterbenden Beruf?
Gefördert durch das Bündnis internationaler Produktionshäuser e.V. im Rahmen des vom Fonds Darstellende Künste e.V. getragenen und durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Programms Neustart Kultur: #TakeThat.
Futur II ist etwas Tolles. Zum Beispiel kann man damit die Frage „Was wird gewesen sein?“ stellen. Was wird von dem, was uns heute umgibt, noch da sein und was nicht in einer Zukunft, wie nah
oder fern auch immer? Hecke/Rauter/Willmann sind einer dieser Künstlergruppen. „Erinnerungen für Morgen“ heißt, was sie zeigen. (...) Eine Installation, die zugleich Etappe eines Work in Progress
ist. Anhand von Objekten und Texten ermöglichen sie Einblicke in den Recherchestand eines geplanten Stückes - und auf eine seltsam faszinierende Parallelwelt außerdem. Der Ausgangspunkt für
„Erinnerungen für Morgen“ war der Eindruck eines Paradigmenwechsels in den Ausstellungen von Naturkundemuseen. Früher sei man mit einem staunenden „Wow, was alles da ist!“ durch die Räume
gegangen, heute immer öfter mit einem „Wow, was alles da war!“ Es ist der Eindruck, dass „vieles, was wir betrachten, sukzessive aussterben wird“, der den Impuls setzte. Die Frage „was wird
Morgen gewesen sein?“ ist die Basis für Reflexion, die „Erinnerungen für Morgen“ versucht. Und was sich auf dieser Basis versammelt ist nicht zuletzt eine „Illusion von stillgestellter Zeit“. Das
meint hier: Tierpräparate. „Das hat auch rein formal einen Bezug zu unseren bisherigen Arbeiten“, so die Künstler. „Das Stillstehen, das Skulpturale. Diese Tierpräparate passen da hinein. Das
Präparat ist eine Illusion von stillgestellter Zeit.“ Und im konkreten Fall, kann man der jetzt sozusagen Auge in Auge gegenüberstehen. Auch, wenn es sich beim Präparat nur um Glasaugen handelt.
Man habe im Zuge der Recherche viele Interviews geführt, mit dem Museumspersonal durch alle Instanzen – und natürlich mit zoologischen Präparatoren: „Wir suchen und suchten natürlich welche, die
etwas exaltierter sind oder ihre Arbeit vielleicht auch etwas esoterischer betrachten.“ Jedenfalls sei man vor allem auch auf solche Geschichten aus gewesen wie die von Lydia Mäder, Präparatorin
aus Frohburg, die für eine Prüfungsarbeit ein weißes Kaninchen mit braunen Augen versah. „Braune Augen sind bei diesen Tieren wider die Natur“, erzählen die Künstler. Warum aber nimmt sich
jemand, der in seiner Arbeit der Wirklichkeit oder wenigsten der Authentizität verpflichtet ist, derlei Freiheiten? „Präparatoren sind erst einmal Handwerker, aber bei einigen ist da eine echte
künstlerische Tendenz.“ Es ginge dann auch um die Frage nach der „Seele“ oder wenigstens dem „Wesen“ des Tieres – wobei Hecke/Rauter/Willmann wiederum Mäder mit den Worten zitieren, es sei „aber
eher die eigene Seele als die des Tieres im Präparat zu finden“. Das klingt ja auch schon recht schräg, faszinierend außerdem. Wie auch die Präparatoren-Aussage, dass „Seele dann vorhanden ist,
wenn der Schatten des Präparates erkennen lässt, was für ein Tier es ist, dass diesen Schatten wirft.“ Der Schatten eines Tieres, das schon nicht mehr existent ist. Man ahnt die Ebenen, die sich
da gerade auch für eine performative Aufbereitung eröffnen.
Steffen Georgi: Eine Illusion stillgestellter Zeit, Leipziger Volkszeitung Nr.233, 06./07.Okt.2018